· 

365 Tage Corona: Musikschüler*innen über ihr Musikleben mit Online-Unterricht

„Online-Musikschulunterricht – soll ich das machen?“ – Viele Musikschüler*innen haben im März 2020 mit Verkündung des ersten Lockdowns die Information erhalten, dass sie während des Lockdowns Online-Musikschulunterricht erhalten können. Dass nun seit rund einem Jahr der Musikschulunterricht für lange Zeiträume hauptsächlich online durchgeführt werden muss, war niemandem zu diesem Zeitpunkt klar. Die Musikschüler*innen Peer, Anna, Walter, Hae Kyung und vier Stipendiat*innen der Studienvorbereitenden Ausbildung berichten von ihrem Musikschulleben während Corona und warum Online-Musikschulunterricht nicht immer die beste Alternative ist.

 

Der 9-jährige Peer sitzt neben dem Home-Schooling auch für den Schlagzeugunterricht an der Musikschule Kiel vorm Bildschirm. Gemeinsam mit seinem Vater Ole erzählt er von seinen überwiegend positiven Erfahrungen mit dem Online-Musikschulunterricht:

 

„Der Online-Musikschulunterricht ist eine gut funktionierende Alternative und wir sind froh, dass Peer so weiterhin Schlagzeugunterricht erhalten kann. Er ersetzt jedoch den Präsenzunterricht nicht komplett, da zum einen die persönliche Komponente fehlt und zum anderen eine gute technische Ausstattung seitens des Schülers und Lehrers für einen problemlosen Unterrichtsverlauf notwendig ist.“

 

Auch Anna sitzt viel vorm Computer, da sie sowohl ihren Klavierunterricht an der Dithmarscher Musikschule als auch ihren Unterricht zur Vorbereitung aufs Abitur teilweise online wahrnimmt. Neben dem Schulunterricht ist sie nun auch für den Klavierunterricht auf gute Internetverbindungen und funktionierende Hardware angewiesen. „Die Tonqualität über Skype ist sehr schwierig und oftmals bricht die Internetverbindung ab, sodass kein richtiger Unterricht durchgeführt werden kann. Mit dem Musikschullehrer in einem Raum zu sein ist für mich sehr wichtig und das Zusammenspiel fehlt einfach“, so die junge Musikschülerin. Insgesamt macht sie ebenso wie Peer deutlich mehr Musik, da andere Hobbys aufgrund der Pandemie wegfallen oder Termine verschoben werden.

Die vier Musikschüler*innen Johanna (17 Jahre, Violoncello, Musikschule Flensburg), Niklas (18 Jahre, Komposition und Klavier, Musik- und Kunstschule Lübeck), Maybritt (16 Jahre, Violine, Kreismusikschule Plön) und Robinson (18 Jahre, Schlagzeug, Kreismusikschule Schleswig-Flensburg) verbindet der Wunsch, ein Musikstudium zu beginnen und sie sind alle Stipendiat*innen der Studienvorbereitenden Ausbildung (SVA). Für sie sind besonders Klangarbeiten und das Perfektionieren von Details wichtig. Durch Internetproblemen sowie Audio- und Bildverzögerungen ist dies beim Online-Unterricht so gut wie nicht möglich. Die vier Stipendiat*innen proben daher viel allein zu Hause und versuchen sich so weiterzuentwickeln.

Maybritt erzählt, dass sie am Anfang der Pandemie nach einer kurzen Probephase den Online-Unterricht pausiert hat, da sie aufgrund der technischen Hindernisse nicht das Gefühl hatte, dass dieser ihren üblichen Musikschulunterricht adäquat ersetzen kann.

Nun hält der zweite Lockdown bereits viele Wochen an und für viele steht das Abitur sowie die Aufnahmeprüfung für das Musikstudium kurz bevor, sodass die Musikschüler*innen kaum eine andere Wahl haben, als den Online-Unterricht wahrzunehmen. „Besser als nichts“ ist leider mittlerweile bei vielen Musikschüler*innen und Musikschullehrkräften das Motto geworden.

 

Johanna hat sowohl gute als auch schlechte Erfahrungen mit der Online-Alternative des Musikschulunterrichts gemacht – bei ihr hängt der Erfolg des Unterrichts auch vom jeweiligen Unterrichtsfach ab.

 

„Der Onlineunterricht im Fach Musiktheorie funktioniert bisher sehr gut. Mein Lehrer schickt mir Aufgaben in Theorie und Gehörbildung und einmal pro Woche treffen wir uns in einer Videokonferenz, um diese zu besprechen und Unterricht zu machen. Onlineunterricht im Fach Cello hatte ich zu Anfang der Pandemie, denn es ist großartig, dass es so schnell diese Alternative gab. Ich habe jedoch bald gemerkt, dass der Online-Unterricht keine geeignete Möglichkeit für mich ist“,
so Johanna.

 

Robinson und Niklas sprechen neben technischen Schwierigkeiten auch von Motivationsproblemen, da Ziele wie Auftritte, Konzerte oder Probewochenenden fehlen. „Da ich Stipendiat in der Studienvorbereitenden Ausbildung (SVA) bin, hatte ich die Möglichkeit, an einer Kammermusikwoche und zwei Theoriewochenenden im vergangenen Jahr teilzunehmen“, so Niklas. Das war für ihn ein Motivationsschub in der anhaltenden Krise, doch diese Möglichkeit blieb einem Großteil der Musikschüler*innen verwehrt, da solche Ausnahmeregelungen im Herbst 2020 nur Profi-Musiker*innen oder Schüler*innen im Rahmen der Begabtenförderung betrafen.

Musikschüler*innen der älteren Generation geht es nicht anders: Walter ist Schüler eines Trommelkurses an der Musikschule Kiel und braucht den Präsenzunterricht.

 

„Im Rahmen des Online-Unterrichts kann ich keine Ensembleerfahrungen machen, da das Zusammenspiel über Zoom oder andere Plattformen einfach nicht möglich ist. Ich bekomme nun Aufgaben und Noten zugeschickt und warte darauf, dass der Präsenzunterricht zumindest als Einzelunterricht bald wieder möglich ist“, so Walter.

 

Auch Hae Kyung berichtet Ähnliches. Die Cellistin aus Rendsburg schätzt das Engagement der Musikschullehrkräfte sehr und probiert daher gerne den Online-Musikschulunterricht aus. Doch die größte Freude entsteht durch das gemeinsame Zusammenspiel im Orchester und das ist mit digitalen Mittel nicht ersetzbar.

 

 

Das Musikschulleben hat sich bei vielen Schüler*innen in dem Sinne verändert, dass sie öfter und eigenständiger üben. Neue Techniken werden meist durch virtuelle Anleitungen der Musikschullehrkräfte vermittelt und müssen vorm Bildschirm allein erarbeitet werden. Das erfordert meist mehr Konzentration. Gespräche mit der Musikschullehrkraft können nach wie vor stattfinden und wahrscheinlich ist der Austausch zwischen den Unterrichtsstunden durch die Etablierung digitaler Kommunikationsmethoden sogar noch intensiver geworden.

Auch wenn der Online-Unterricht belasten kann, hat sich durch die Corona-Krise eine Unterrichtsmethode etabliert, die vorher kaum genutzt wurde. Sind die Schüler*innen und Lehrkräfte erst einmal technisch gut ausgestattet, ist es aus Sicht einiger Musikschüler*innen denkbar, auch nach Corona gelegentlich wenige Musikschulstunden online durchzuführen. Peer wünscht sich z. B. für die Zukunft einen „Hybrid-Unterricht“, bei dem er zweimal in der Woche Schlagzeugunterricht hat, allerdings einmal als Präsenz- und einmal als Online-Unterricht.

 

 

Insgesamt sehnen sich die Musikschüler*innen ebenso wie die Musikschullehrkräfte jedoch nach Begegnungen an einem Ort. Wann dies wieder möglich ist, weiß derzeit noch keiner. Positiv ist jedoch, dass die musikalische Bildung weitergehen kann und viel Zeit für das Musizieren in den eigenen vier Wänden genutzt wird.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0