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365 Tage Corona: Musikschulen waren immer da

 

Rund 5% weniger Musikschüler*innen, kaum Neuanmeldungen, aber hoch engagierte Musikschullehrkräfte, die die musikalische Bildung weiterhin ermöglichen. Die Corona-Krise hat uns alle schwer getroffen und besonders der Kulturbereich leidet. Die Musikschulleiter*innen Petra Marcolin (Leitung Kreismusikschule Ostholstein), Richard Ferret (Leitung Dithmarscher Musikschule), Marian Henze (Oldesloer Musikschule für Stadt und Land) und Karl-Friedrich Schranz (stellvertretender Leiter der Musikschule Norderstedt) haben uns erzählt, wie sie es geschafft haben, dass die Musikschulen trotz Krise das ganze letzte Jahr für die Schleswig-Holsteiner*innen da waren und musikalische Angebote ermöglichten.

 

Die Musikschulleiter*innen berichten, dass die prägnanteste Veränderung in der Musikschullandschaft für sie die Entwicklung von Konzepten des Online-Unterrichts, weiterer digitaler Angebote und generell die Optimierung der digitalen Infrastruktur war. Plötzlich mussten viele Musikschulleitungen in die Rolle eine*r IT-Techniker*in schlüpfen und ihren Musikschullehrkräften Anleitungen und Hilfestellungen zur Entwicklung digitaler Unterrichtsmethoden geben.

 

„Es war ein großer Aufwand, kurzerhand digitale Unterrichtskonzepte zu entwickeln. Regelmäßige Meetings mit dem ganzen Kollegium, gemeinsames Testen und Erproben von Unterrichtsmöglichkeiten und auch der Umgang mit verschiedenen Softwares gehörten plötzlich zum Alltag“, so Petra Marcolin.

 

Das Umdenken und Entwickeln neuer Angebote war auch für die Lehrkräfte und die Schüler*innen ein Kraftakt. Nur einige Lehrkräfte hatten etwa durch die Teilnahme am Digitalisierungsprojekt „MoMu.SH“ (2018-2019) des Landesverbandes der Musikschulen weiterreichende digitale Erfahrungen. Viele mussten Videokonferenz-Tools wie „Zoom“ neu erlernen, andere hatten vorher nicht einmal eine E-Mail-Adresse. Doch in Zeiten von Corona konnten schnell digitale Strukturen aufgebaut werden, sodass der Online-Unterricht sich schrittweise professionalisierte und auch weitere Ideen und digitale Projekte entstanden. Auch durch das Digitalisierungsprojekt „MSdigital.SH“ (2020-2021) des Landesverbandes der Musikschulen in Schleswig-Holstein, konnten die digitalen Infrastrukturen an den Musikschulen aufgebaut und optimiert werden.

Die Musikschulen entwickelten aus dem Home Office heraus digitale Unterrichtskonzepte
Die Musikschulen entwickelten aus dem Home Office heraus digitale Unterrichtskonzepte

Für diesen Digitalisierungsschub durch Corona ist auch Marian Henze dankbar. Seine Zukunftsvision für die Oldesloer Musikschule ist u. a. die Spezialisierung im Bereich „Producing“ und „Songwriting“. Durch die Corona-Krise entstanden im letzten Jahr mehr Chancen und auch Fördermöglichkeiten, sodass dieses Vorhaben nun schneller umgesetzt werden kann. Die Oldesloer Musikschule kann also auch dank Corona schon bald mit diesem digitalen Spezialisierungsbereich starten.
Auch Ängste vor der Digitalisierung konnten sowohl Lehrkräften aus auch Schüler*innen durch die Krise genommen werden. Der Umgang mit verschiedenen Kommunikations-Softwares und die Anschaffung von geeigneter Hardware wurde besonders durch den ersten und zweiten Lockdown befördert. Die neue, digitale Form der musikalischen Bildung konnte sich so in einigen Unterrichtsfächern als Ersatz bewähren und auch in anderen Bereichen der Musikschularbeit haben sich neue Möglichkeiten, wie z.B. das Home Office für Verwaltungskräfte eröffnet, welche für die Zukunft mehr Flexibilität bieten. 

Damit die digitalen Möglichkeiten auch in der Zukunft eine Rolle spielen können, haben viele Musikschulen ihre Schulordnung anpassen müssen. Sowohl in der Musikschule Norderstedt als auch in der Kreismusikschule Ostholstein und weiteren Musikschulen ist der Online-Unterricht nun in der Schulordnung als vollwertige Unterrichtsform aufgeführt.

 

„Durch die Verankerung in der Schulordnung ist der Online-Unterricht nun als gleichwertig zu betrachten. Das hat für uns den Vorteil, dass weniger Unterrichtsstunden ausfallen oder erstattet werden müssen“, so Karl-Friedrich Schranz. 

 

Solche Anpassungen der Schulordnungen geben den Musikschulen auch eine finanzielle Sicherheit, da besonders zu Beginn der Corona-Pandemie der Online-Unterricht den Musikschüler*innen zum Ausprobieren entgeltfrei angeboten wurde. Neben diesen großzügigen Angeboten für die Musikschüler*innen haben sich die Musikschulen in gleicher Weise auch um ihre Lehrkräfte gekümmert. Solidarität wird in den Musikschulen großgeschrieben, sodass viele Musikschulleitungen sich dazu entschiedenen haben, Honorare trotz Unterrichtsausfalls weiterzuzahlen oder sogar einen Corona-Bonus auszuschütten.

 

„Besonders die Lehrkräfte, die auf Honorarbasis arbeiten und theoretisch nur für jede durchgeführte Unterrichtsstunde bezahlt werden, hatten mit Beginn des ersten Lockdowns Angst um ihre Existenz. Doch wir möchten niemanden im Stich lassen, sodass wir jede Lehrkraft weiterbezahlt haben“, so Richard Ferret.

 

Trotz gelegentlicher Spenden neigen sich die finanziellen Reserven der Musikschulen dem Ende zu und es ist ungewiss, ob die Auszahlung von Ausgleichshonoraren weiterhin getragen werden kann.

Aufnahme des Musikschulsongs "Collect" der Oldesloer Musikschule für Stadt und Land e.V:
Aufnahme des Musikschulsongs "Collect" der Oldesloer Musikschule für Stadt und Land e.V:

 

Gruppenunterrichte, Kooperationsprojekte mit Schulen, Ensemble- und Orchesterangebote uvm. fallen zu Coronazeiten komplett weg, sodass Unterrichtsräume und auch Musikschüler*innen fehlen. Besonders die jungen Musiker*innen in der musikalischen Früherziehung können aufgrund des Alters (zwischen 0-6 Jahren) kaum online unterrichtet werden und auch Ensembleerfahrungen können nicht online gesammelt werden. Hinzu kommen fehlende Neuanmeldungen, sodass die Einnahmen der Musikschulen deutlich geringer ausfallen als in den vorherigen Jahren.

 

 „Es fehlen Aktionen, um neue Schüler*innen zu gewinnen und Möglichkeiten, um die Musikschularbeit erlebbar zu machen“, so Marian Henze.

 

Aus diesen Gründen kämpfen die Musikschulen mit neuen Kommunikationsstrukturen um jeden einzelnen Musikschüler und jede Musikschülerin. Beispielsweise berichtet Petra Marcolin, dass die Kreismusikschule Ostholstein nun auf Instagram, Facebook und auch YouTube aktiv ist, um auf sich aufmerksam zu machen. Auch die Oldesloer Musikschule hat mit einem eigens komponierten und aufgenommenen Musikschulsong einen YouTube- und Instagram-Kanal gestartet. So entstehen aus der Not heraus immer mehr Ideen. Viele Musikschulen haben z. B. zu Weihnachten erstmals musikalische Adventskalender entwickelt oder ganze Konzerte online gestreamt.

 

Der Kampfgeist und Tatendrang der Musikschulen sind so stark wie noch nie. Trotz Herausforderungen mit der Digitalisierung, Hygienevorschriften, fehlender Unterrichtsräume durch ausgesetzte Kooperationen usw. lassen sich die Musikschulen nicht unterkriegen, sondern erfinden sich ständig neu. Durch dieses Engagement musste trotz Coronakrise keiner auf sein Hobby „Musik“ verzichten und konnte den Kontakt zur Musikschule halten. Ob Online-Unterricht, Videoclips von Musikschüler*innen, Komposition eines Musikschulsongs, Online-Musikangebote uvm., die Musikschulen waren bis jetzt trotz Krise immer für alle Schleswig-Holsteiner*innen da.

 

Nach rund 365 Tagen Corona und zwei Lockdowns benötigen die öffentlichen Musikschulen jedoch mehr (finanzielle) Sicherheit und hoffen auf eine nachhaltige und verlässliche Förderung vom Land Schleswig-Holstein.

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Kommentare: 1
  • #1

    Musikschule Glinde e. V. , D. Teske (Donnerstag, 04 März 2021 17:56)

    "Durch die Verankerung in der Schulordnung ist der Online-Unterricht nun als gleichwertig zu betrachten." Diese Aussage kann sich nur auf die verwaltungstechnische nicht auf die inhaltliche Arbeit beziehen. Online-Unterricht kann Präsenz-Unterricht nicht ersetzen und deshalb nicht gleichwertig sein.
    Er ist Unterrichtsersatz auf Zeit in einer Notsituation, solange diese andauert. Darauf sollte immer hingewiesen werden.